Eine Person sitzt auf dem Boden und trägt eine schmutzige Hose. Sie hält Moos in den Händen.

Joe Bauer

Eine Person sitzt auf dem Boden und trägt eine schmutzige Hose. Sie hält Moos in den Händen.

Joe Bauer

„Untrennbar mit der Kunst verbunden“ – Barrierefreiheit und Physical Theatre

Die Company Sticky Fragments stellt sich vor

Bereits seit der Gründung ihrer Company beschäftigen sich die Mitglieder von Sticky Fragments mit dem Potenzial der Audiodeskription, um ihre Stücke für ein blindes, sehbehindertes und sehendes Publikum zugänglich zu machen. Angetrieben von der Vorstellung, eigene Stücke zu schreiben und diese durch kollaboratives, interdisziplinäres Arbeiten auf die Bühne zu bringen, präsentieren sie ihr neues Stück„PowerStrangers – Touching the not yet“ auf Zollverein am 4., 5. und 6. September.

Das Ruhrgebiet gilt als Wohn- und Arbeitsort der Company, welche immer in kollaborativen Teams forscht. Valentin Schwerdfeger, Charlie Wyrsch, Meret König und Fine Kroke kooperieren etwa mit der Access-Dramaturgin Sabine Kuxdorf, der Musikerin Katrin Meier, Joe Bauer (Kostüm und Bühnenbild) und der Dramaturgin Annika Jakobs. Dabei folgen sie dem Ansatz der Aesthetics of Access. Das heißt, dass sie bereits im künstlerischen Prozess über den der Barriereabbau im Theater nachdenken – und zwar mit einer kreativen, integrierten Audiodeskription. Die Zugänglichkeit soll dann als „Wesen, als integrierter Teil der Story, untrennbar mit der Kunst verbunden“ fungieren, so Valentin Schwerdfeger. Dass ein Theaterstück dann für ein sehendes, sehbehindertes und blindes Publikum gleichermaßen Spaß macht, habe schließlich einen echten „Mehrwert für die Kunst“.

Eine Collage, die aus verschiedenen computergenerierten Szenen besteht. Fundobjekte und Industrieorte befüllen das Bild.

Joe Bauer

Die Gruppe hat sich die Diversitätsentwicklung zum Ziel gesetzt. Dazu beziehen sie Menschen mit verschiedenen Wahrnehmungsperspektiven von Anfang an mit ein und denken gemeinsam mit ihnen über Bewegungen, Bilder und Klang nach. Egal ob Schauspieler*in oder Videodesigner*in, alle Projektebeteiligten schreiben am Stück mit. Daher suche das Ensemble laut Valentin nicht die Perfektion, sondern wolle „Versatzstücke und Fragmente“ aus Gesprächen, Erfahrungen und Orten sammeln, um daraus eine neue Bedeutung zu erzeugen. Sticky Fragments (klebrige Fragmente) zeigt deshalb Kostüme und Bühnenbilder, die wortwörtlich aus Fragmenten bzw. Fundstücken bestehen, die die Ensemblemitglieder während der Vorbereitung im Ruhrgebiet gesammelt haben.

Für Sticky Fragments sei es besonders wichtig, diese Arbeit im Ruhrgebiet zu verorten, denn der Identitätsverlust (z. B. der Arbeiterkultur) im Ruhrgebiet stelle ein systemisches Problem für die regionale Identität dar. Vor diesem Hintergrund arbeitet die Gruppe mit verschiedenen Institutionen, wie etwa der Stiftung Zollverein und dem Theater im Depot Dortmund, zusammen. So schaffen sie es, auch die Bevölkerung vor Ort zu erreichen. Nicht umsonst bezeichnet Valentin das kommende Werk als eine „Ode an das Ruhrgebiet“.

Ganz im Sinne ihrer inklusiven Praxis denken die Mitglieder von Sticky Fragments nicht erst während der Vorstellung über das Publikum nach, sondern für ein sehbehindertes und blindes Publikum wird bspw. ein Begleitservice mit Abholung von Bahn- oder Bushaltestellen vor den Aufführungen gewährleistet. Das gehört neben einem Email-Verteiler, Audiowerbung und Präsenz bei Stammtischen für Sehbehinderte und Blinde zu einem ganzheitlichen, zielgruppenorientierten Marketingkonzept, in dessen Zentrum die Teilhabe steht.

Eine Person trägt ein helles Oberteil. An ihrem Arm kleben Stoffstücke.

Joe Bauer

In dem Stück „PowerStrangers“ sollen das Ruhrgebiet und seine „liminalen Orte“ zur Sprache kommen, damit die einst vitalen und jetzt „vergessenen, menschenleeren“ Industrieorte einen neuen Zweck erhalten. Laut Valentin sei das neue Stück für das alte, gegenwärtige und zukünftige Ruhrgebiet und auch mit ihm geschrieben worden, so sind Zitate vom Bahnhof oder aus Kneipen zu hören und Müll oder andere Fundobjekte als Teil der Kostüme und der digitalen Welten mit auf der Bühne zu erleben. Warum? Die Sticky Fragments möchten mit einer transdisziplinären, multimedialen und zugänglichen Performance die Bühnengeschehen erweitern. Wer auf diese Reise Lust hat, kann PowerStrangers am 5. und 6. September um 19:00 Uhr auf Zollverein erleben! (Tickets können unter zollverein.de/besuch-planen/tickets/ erworben werden.)

Damit hat das Ensemble StickyFragments seine Ziele jedoch bei Weitem nicht erreicht, denn die Aesthetics of Access bedeute für die Gruppenmitglieder die Sehnsucht nach neuen, größeren, diverseren Kollaborationen, Formaten, Orten und Publika. Ziel ist es, bei nächsten Projekten weitere Wahrnehmungsperspektiven mit einzubeziehen und andere Zielgruppen zu erreichen.

Erst einmal geht es um am 4. September mit einer öffentlichen Generalprobe des neuen Werks los; das Ensemble fragt „Wer werden wir gewesen sein? Was wird von uns übrig geblieben sein? Wer wollen wir gewesen sein? Welche Utopien von Gemeinschaft finden wir?“

Weitere Aufführungen am 17. & 18. Oktober im Theater im Depot, Dortmund.

PowerStrangers ist eine Produktion von Sticky Fragments. Gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Förderprogramms Neue Künste Ruhr (NKR), das Kulturamt der Stadt Essen, die RAG-Stiftung, die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Zollverein e.V. & die Karin und Uwe Hollweg Stiftung. In Kooperation mit dem Koproduktionslabor Dortmund, dem Physical Theatre Netzwerk Essen, der Stiftung Zollverein in Essen und dem Theater im Depot Dortmund.