Im September 2022 wurde „In C - Marler Partitur" von über 100 Tanzenden Bürger*innen gemeinsam mit Tänzer*innen der Compagnie Sasha Waltz & Guests in Marl uraufgeführt. Die Resonanzen von Teilnehmenden, Zuschauer*innen und von Sasha Waltz selbst waren durchweg positiv, auch die Presse war begeistert. Der Auftakt ist gesetzt – nun gilt es "In C - Marler Partitur” als festen Bestandteil der Stadtkultur zu etablieren.
Das Projekt geht von der einzigartigen Besonderheit der Stadt Marl aus: Seiner visionären Nachkriegsarchitektur, welche die Stadt bis heute prägt. Was bis 1900 ein ländliches Heidedorf war, wurde erst durch den Bergbau zu einem städtischen Gebilde (Stadtrecht 1936) und durch die Chemieindustrie (Chemische Werke Hüls 1938, Teil des IG-Farben Komplexes) zu einem bedeutenden Standort in den wirtschaftlichen Planungen des nationalsozialistischen Systems. Nach dem Krieg konnte Marl an seine technologische Bedeutung anknüpfen, brach aber radikal mit der Diktatur und investierte seinen Wohlstand in den 1950er und 1960er Jahren unter dem damaligen Bürgermeister Rudolf-Ernst Heiland und seinem Stadtplaner Günther Marschall Marl in einen einzigartigen Gegenentwurf zu den Jahren staatlicher Gleichschaltung. Sie stellten die Bildung in den Mittelpunkt einer Stadt, die egalitäre Chancen und Teilhabe bieten wollte. Das neue Rathaus im Zentrum ist als Bühne für bürgerschaftliche Teilhabe angelegt.
Kaum eine andere Stadt hat nach dem Krieg ihren demokratischen Anspruch so sehr als städtische Kultur verstanden und baulich umgesetzt. Heute wird das Rathaus saniert. Das eingezäunte Gebäude im Stadtzentrum steht als Sinnbild für den Neuanfang. Es soll auch in Zukunft der Kern eines Netzwerks bedeutender Baudenkmale bleiben, das bis zur Scharoun-Schule oder der Paracelsus Klinik reicht. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Quartiere und Mustersiedlungen aber ebenso wie die Bildungseinrichtungen nur durch die aktive Nutzung und Belebung der Menschen erfahrbar werden. In einer digitalen und mobilen Gesellschaft finden die Menschen seltener als früher physisch in der Öffentlichkeit zusammen. Die bauliche Hardware Marls braucht deshalb ein Softwareupdate: Die junge Generation muss sie für sich entdecken, um neue Nutzungsformen und -fantasien, Rituale und Ereignisse zu etablieren. Dafür braucht sie Übung in gemeinsamen Handlungsformen. Hier kommt „In C – Marler Partitur“ ins Spiel.